Die deutsche Hauptstadt kann einem schon einmal vorkommen wie ein Entwicklungsland. Für Neuzugezogene wirkt das wie ein Kulturschock. Für einen Journalisten ist die Stadt aber ein Paradies: Missstände, wohin das Auge reicht. Über das Ankommen im Berliner Sumpf und ein Leben in der Stadt der Toleranz. Aus der NZZ
Zwei Geschichten fallen mir dazu ein:
- Vor einigen Jahren hatte ein Bekannter aus Berlin, der in Mitte, an der Grenze zum Wedding wohnt, ein Aha-Erlebnis. Sein Sohn sollte eingeschult werden und er besucht das erste Mal die Schule im Wedding. Der Berliner Senat hatte ja die Bomben-Idee, Stadtbezirke über den ehemaligen Mauerstreifen hinweg zusammenzuführen. Integration, Einheit, Inklusion und das ganze Politgeschwafel…. Fassungslos musste er feststellen, dass fast alle Aushänge in den Schulfluren in Türkisch waren. Und nun? Die Berliner Lösung ging dann so: seine Frau und er trennten sich offiziell, sie bezog eine Wohnung im Lichtenberg, wo das Kind auch eingeschult wurde…
- Party bei einem Freund. Vor der Tür stehen ein paar Leute und rauchen eine lange Zigarette, die auch etwas Tabak enthält. Das Küchenfenster steht offen und etwas Rauch zieht hinein. Aufschrei! Ein Pseudo-junges Pärchen um die 35+ ist außer sich, weil sie und vor allem die Kinder im toxischen Qualm verenden. Zur Orientierung: es ist etwa 23 Uhr und die Kinder sind etwa ein und drei Jahre alt. Ein kurzer Blick in die Küche reicht – Berliner. Nirgendwo sonst auf der Welt laufen Menschen in Klamotten durch die Gegend, die wie aus der Kleidertonne aussehen, aber aus einem hippen und teuren Designerladen sind.
Keine fünf Minuten später gesellt sich der Papa zu den Tütenrauchern. Meinen fragenden Blick beantwortet er keck mit: „Gelebte Doppelmoral!“