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Wie (vermeintliches) Wissen unsere Wahrnehmung beeinflußt – was zum Geier ist das?

Wir sind ein paar Tage auf Rügen und mit dem Auto zwischen Sagard und Saßnitz auf der B 96 unterwegs, als uns auf einem Feld am Straßenrand ein Tier auffällt – ein großer Vogel offenbar.
Meine Frau meint: „Sieh mal, dort sitzt ein Geier.“ Na klar ein Geier, denke ich – aber Größe, Körperform, Haltung und Schnabel sprachen recht eindeutig dafür. Seeadler kenne ich und habe sie oft auch aus der Nähe beobachten können, das ist aber definitiv keiner.
Meine Frau weiß nicht, daß es in Deutschland normalerweise keine Geier gibt und vertraut ihrer Wahrnehmung. Ich habe irgendwo einmal davon gehört, daß es gelegentlich Sichtungen gibt, habe aber ausgewachsene Zweifel – soweit nördlich, so nahe an einer befahrenen Straße, ist das überhaupt möglich? Wie wird jemand reagieren, der „weiß“, daß Geier in Deutschland nicht vorkommen – seine Wahrnehmung verwerfen? Wahrscheinlich.
Einen Tag später kommen wir mit einem Hobby-Ornithologen aus NRW ins Gespräch, der gerade Vögel an der Küste mit einer mindestens 5.000€-teuren Ausrüstung beobachtet und ich erzähle ihm von der seltsamen Sichtung. Er sieht mich daraufhin an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank.
In der Zwischenzeit hatte ich im Netz gesucht und bei der Nationalparkverwaltung Jasmund angefragt, zumal wir am folgenden Tag an anderer Stelle offenbar den gleichen Vogel mit dem Fernglas gut beobachten konnten. Tage später kommt die Antwort vom Nationalparkamt MV, daß sich schon seit April ein Mönchsgeier in der Region aufhält.

küste

Neben einem wirklich seltenen Naturschauspiel, wirft das auch einige Fragen zu unserem vermeintlichen Wissen, wie und was etwas ist auf. Je weniger du weißst, desto offener bist du für neue Phänomene; je mehr du weißt, wie etwas (theoretisch) ist, desto eher wirst du deinen Wahrnehmungen nicht trauen – es kann nicht sein, was nicht sein soll oder darf. Das könnte für einige Phänomene zutreffen, gerade, wenn sie nicht einfach reproduzierbar sind… Viele Jahre schon hatten Piloten z.B. immer wieder berichtet, daß bei Gewittern auch Blitze nach oben zu sehen sind – und wurden nicht ernst genommen. Erst vor wenigen Jahren erkannte die Wissenschaft dieses Phänomen an, gab ihm auch einen Namen und erst seitdem ist es quasi offiziell Wissen.
Unser Wissen wirkt wie eine Filterbrille und wenn uns nicht klar ist, daß Wissenschaft immer der letzte Stand des Irrtums und ihrem Wesen nach immer revisionistisch ist, wird dieser Filter Teile unser Realität ausblenden.

Erstaunlich ist aber auch, daß wir den Vogel sofort als Geier angesprochen haben, obwohl wir ihn bestenfalls aus Tierfilmen oder aus Comics kennen können.

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Autor: querfeldein

"Ich glaube nicht, daß ein vernünftiger Mann in Deutschland ist, der sich um das Urteil einer Zeitung bekümmert, ich meine der ein Buch verdammt, weil es die Zeitung verdammt, oder schätzt, weil es die Zeitung anpreist, denn es streitet schlechterdings mit dem Begriff eines vernünftigen Mannes." Georg Christoph Lichtenberg

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