… und manche Kunden benehmen sich in den Läden (und nicht nur in der Vorweihnachtszeit) wie ein König. Bitte und Danke, Guten Tag und Auf Wiedersehen sind für sie Fremdworte. Sie erwarten keine Beratung, sie wollen keine Empfehlungen, sie fordern Bedienung und behandeln die Angestellten wie Personal. Es geht ja auch nicht mehr schlicht um Waren, die ich brauche und ein Händler mir gegen Geld gibt. Es geht um den kleinen Luxus, sich Dinge zu kaufen, die man nicht unbedingt braucht. Wer mein Geld haben will, der soll erst einmal zeigen, ob er es sich verdient hat.
Das ist auch, aber nicht nur eine Frage guter Erziehung und von Respekt. Dahinter steht der Gedanke, dass eine Person durch ihr Geld wichtig oder weniger wichtig ist. Wer das Geld hat, stellt die Forderungen, er herrscht. Insofern ist das im Grunde keine Überraschung, es ist eine konsequente Weiterführung des Leitprinzips unserer Gesellschaft auf Bereiche, in denen das bisher nicht akzeptiert war.
Wir sprechen ja vom christlichen Abendland, weil das Christentum die Idee gleicher Seelen vor Gott eingeführt hat. Nur daraus konnten die philosophische Idee eines gleichen Zugangs zur Vernunft und die politische Idee gleicher Rechte für alle Menschen erwachsen. Auf ethisch-moralischer Ebene führt es zu Kants Imperativ in der Version für alle: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu! (1) Lange hat das Bürgertum für ihre gleiche Rechte im Verhältnis zum Adel gekämpft, ebenso lange hat die Arbeiterschaft in Fabriken und auf dem Lande für gleiche Rechte wie das Bürgertum gekämpft. Irgendwann war das politisch erreicht und funktionierte (an einigen Orten der Welt wie in Deutschland und mehr oder weniger) auch ganz gut.
Die Steuerung unserer globalisierten Gesellschaften läuft aber schon einige Zeit nicht mehr über politische Willensbildung und parlamentarische Mehrheiten, sie läuft schlicht über das Geld. So richtig laut darf man das noch nicht sagen, aber wer sich die Welt unter dieser Erklärungsperspektive ansieht, sieht sie klarer und versteht sie besser. Intuitiv verstanden haben das die meisten und wenn sie in den Laden gehen, können sie von diesem Gefühl kosten. Ich herrsche, ich stehe im Mittelpunkt, ich bin ein König.
(1) es gibt einen Unterschied zwischen dieser „goldenen Regel“ als hypothetischem Imperativ und Kants kategorischem Imperativ, mehr dazu hier
Dieser Artikel ist ursprünglich im Dezember 2012 auf meinem damaligen Blog erschienen. Leider kann ich nicht erkennen, daß sich seitdem etwas geändert hat.